April 1336, der italiensiche Dichter Francesco Petrarca besteigt mit seinem Bruder den Mont Ventoux in der Provence. Der Aufstieg in die karge, vom Wind zerzauste Region ist mühselig (… ähnlich muss es den Fahrern der Tour de France auf diesem klassischen Teilstück ergehen…). Ich selbst erinnere mich noch gut, wie mir der trockene Wind auf dem Berg ins Gesicht schlägt. Der Blick in die Ferne, das Panorama von den französischen Alpen über die Vaucluse bis fast zum Mittelmeer nach Marseille aber ist umwerfend und belohnt die Mühe des Aufstiegs allemal.
Ähnlich muss es Petrarca ergangen sein. Ihm tut sich ein Panorama auf, wie es vor ihm wohl kaum jemand gesehen hat. Der Aufstieg bedeutet für den Dichter aber auch eine Reise nach innen. Sie lässt ihn über seine eigene Vita beugen und über deren Rechtmässigkeit nachdenken, wie Martin Meier jüngst in der NZZ schreibt. In seinem Brief an Franceso Dionigi zitiert Petrarca eine Stelle aus den Confessiones von Augustinus von Hippo (354 bis 430 AD):
Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfliessenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst. [Confessiones X, 8]
Naturerlebnis und Introspektion fallen in diesem Moment auf dem Mont Ventoux zusammen. Im Gegensatz zur mittelalterlichen Vorstellung sieht Petrarca die Welt nicht mehr als feindliche Durchgangsstation in eine jenseitige Welt. Sie besitzt eine eigene Wertigkeit. In Petrarca sehen denn viele Gelehrte nicht nur den Bergsteiger und Begründer des Alpinismus, sondern die Besteigung des Mont Ventoux als kulturhistorischen Schlüsselmoment vom Mittelalter zur Neuzeit …
Auch ich freue mich auf das Naturerlebnis … und auf die Moment der Einkehr nach innen. Auf den 30 Etappen zwischen Bodensee und Genfersee finde auch ich meine kleinen Mont Ventoux …