Category Archives: Oberwallis

10:37 Jeitzinen: auftanken

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Durchschnaufen. Richtig durchschnaufen, die Lungen tief füllen. Die Sinne aktivieren. Auch einmal an einem Baumstamm riechen. Pilze abtasten und am Wegrand durch Grashalme streichen. Heute muss ich mich auftanken.

Schnell habe ich am morgen für den Aufstieg hoch übers Rhonetal zwar den Trott gefunden. Aber meine Beine und auch der Kopf sind schwer, ein paar Wehwehchen tun das ihre dazu. Und es werden wohl auch heute sieben Stunden werden … auch wenn, oder gerade weil, ich den unteren Weg nach Leukerbad einschlage.

10:37 Südrampe Eggerberg: Ausdauer

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für alle Fussballfans vorweg: zwar ist sie auch kurvig, die Südrampe hat aber nix mit der Südkurve zu tun. Sie ist aber weniger verkehrt: während sich die Südkurve gegen Norden neigt, ist die Südrampe gegen Süden ausgerichtet … macht doch auch Sinn, auch schliesslich liegt sie auf der nördlichen Talseite.

Mehr als zwanzig Jahre sind seit der Südrampen-Schulreise in der ersten oder zweiten Kantiklasse vergangen. Damals ratterte noch alle paar Minuten ein Zug über die unzähligen Brücken und ebensovielen Tunnels am Sonnenhang des Rohnetals.

Heute scheint alles ein bisschen gemãchlicher zu gehen. Der Bummler heisst jetzt zwar Regio-Express, er bummelt aber vielleicht noch 1x pro Stunde zwischen Spiez und Brig. Die Schnellzüge, jetzt Inter- und Eurocity, verschmähen die Rampe und Tauchen kurz nach Visp in den Lötschberg ein. Und von den Güterzügen habe ich gerade mal eine einzelne Rangierlock fahren sehen. Und diese hat wohl auch nur den mit der Unkrautspritze wandernden Bahnarbeiter zum Znüni abgeholt.

Das neue Loch hat seine Spuren hinterlassen. Am Bahnschalter in Lalden hängt ein “geschlossen”-Schild, Rangiergleise sind dicht überwachsen und viele Weichen wohl schon lange nicht mehr gestellt. Und auch die wandernden Eisenbahnfreunde zieht’s trotz Erlebnispfad, Kulturweg und Krãuterlehrpfad jetzt wohl eher ins Neatloch, die Zürcher Durchmesserlinie oder zum Dampfzug an der Furka. Das Eggerbergstübli jedenfalls steht verlassen auf dem Aussichtspunkt und die Wegweiser setzen Rost an. Der Lärm in der verschlafen wirkenden Dörfern dröhnt nicht mehr von der Eisenbahn, sondern konkurrenzlos von unten im Tal, aus dem Chemiewerk von Visp.

Und doch er Schein trügt. Es hat wohl mehr Gartenzwerge als Einwohner in den Dörfern aber mir scheint, nicht nur die Eidechsen zwischen den Steinplatten fühlen sich in dieser neuen Ruhe wohl und ungestört. Da wird hinter den Mauern geflucht was das Zeug hält (hüerähüerähüerädreck) und im Pyjama und Lockenwickler der Rasen gemäht. Selbst die Porzellanfiguren wetteifern um den Titel des geschmacklosesten Vorgartenschmucks. Da parkt neustes landwirtschaftliches Gerät in der Doppelgarage und vor dem Polizeiquartier wird helmlos der getunte Roller Probe gefahren. Und irgendwo kreischen 6 Kinder aus der Gesamtschule in der neuen Doppelturnhalle … von wegen verschlafene Südrampe, da ist Leben fast wie in der Südkurve.

Ach ja, Ausdauer. Der heutige Tag ist ein Ausdauertest. Von brig aus will ich mich in gute Position für den Aufstieg nach Leukerbad und die letzten Alpentage bringen. Ich versuch’s zuerst von Brig der Rhone entlang. Rottuweg, heisst die Wanderstrasse, der Name macht den Weg aber nicht weniger monoton. In Brigerbad gebe ich doch nach und meinen Bergschuhen endlich würdigeres Terrain unter die Sohlen. Die Südrampe soll’s richten. Bis Hohtenn sind’s beim ersten Wegweiser 7h, ich freue mich, dass es 10 Minuten nur noch 6.5h sind. Leider ist aber auch Hohtenn noch nicht mein Tagesziel … Ausdauer eben!

Blindtälli: von Hexen und Feen

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eine dieser Überraschungen: eigentlich waren die anderhalb Stunden runter von der Belalp nach Blatten schon zuviel. Und dann ist auch noch das einzige Gasthaus in “Mund” zu. Also, noch einmal knapp zwei Stunden nach Brig. Der Wegweiser zeigt wenig malerisch über den grossen Parkplatz in Blatten. Sieht einmal mehr nach “Infrastrukturkilometern” aus.

Kaum hundert Meter – und ein paar knielästige steile Kurven später – tauche ich im Blindtälli in eine andere Welt ein. Moosüberwachsene Steine, tief zerfurchte Baumstämme, mysteriöse Reisigkreise, hier ein überwachsenes Bächlein, dort ein einsamer Baumstrunk. Ein Wald in welchem Hexen und Feen gleichermassen leben könnten.

Ebenso abrubt wie ich in diesen Wald eingetaucht bin, stehe ich in Geimen wieder draussen ind an der Hauptstrasse Blatten-Brig.

Es sind diese kleinen Perlen jenseits der Ferienprospekte in Hochglanz, welche immer wieder und zu den überraschendsten Momenten kleine Höhepunkte setzen – und auch die knochenharten Asphaltstrapazen am Tagesende nach 8 und mehr Stunden versüssen helfen.

10:37 Grünsee: rot

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Ich bewundere ja Tina: Tag für Tag steht sie früh zur Arbeit auf und nun lässt sie sich einen Monat lang auch noch am Wochenende – ja sogar am Sonntag – mit den ersten Sonnenstrahlen wecken. So auch heute.

Zeitig sind wir raus, wohl die ersten im Aletschwald. Das macht den Wald noch verwunschener, die alten Arven knorriger, den frischen Duft intensiver und die Zauberer-Geschichten von Tina noch eindringlicher. Einzig das stete Click-clack, click-clack des Nordic Walkers hinter uns hãlt uns etwas auf Trab. Wäre ja gelacht, wenn uns ausgerechnet heute zum ersten Mal jemand überholen sollte :-).

Bis zum Grünsee halten wir den Verfolger sicher auf Trab, zwar kommt er uns bei unseren zahlreichen Fotostops gefährlich nahe, aber wir knipsen schnell.

Ob es bis 10:37 noch zur Hãngebrücke reichen wird? Icch schummle ja nicht für ein schönes Sujet. Genau zur Zeit sind wir immerhin beim Grünsee und gönnen uns a diesem schönen Flecken eine der seltenen Pausen unterwegs. Ich geniesse diese ruhigen Momente, allein mot Tina inmitten der wunderschönen Natur, nur der blauen Himmel über uns … ich glaube, da fällt auch Tina das frühe Aufstehn am Wochenende leichter.

Ah, ja: “rot” am Grünsee mit einem blauen Foto? Hmm, die rote Farbe hatte ich noch nie. Und der rote Lehm am Ufer des Grünsees hat dem See einen leicht rostigen Schimmer verliehen … Alternative würden auch das Rot der Wegweiser im Aletschwald, die vielen roten Hitzeköpfe oder auch die zahlreichen sonnenroten Oberarme Grund genug für einsaftiges “rot” hergeben …

10:37 Eggishorn: (w)eis(s)

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Die Hüttenwarte meinen es gut mit uns. “ja, der Weg rauf aufs Eggishorn ist gesperrt … aber rauf komme man schon”, gibt uns der Hüttenwart der Gletscherstube mit einem Augenzwinkern mit auf den Weg.

Fünf Viertel Stunden später sind wir an den Baggern vorbei bei der Bergstation Eggishorn zusammen mit 500 anderen Wanderern, welche s’Bähnli genommen haben. Noch einmal eine Viertelstunde später staunen wir vom Eggishorn auf den majestätischen Aletschgletscher runter.

Ich bereue nicht, dass wir dieses Wochenende die Version “light” gehen und nicht über den Gletscher zur Konkordia gelaufen sind … naja, “light” ist untertrieben. Nach wiederum rund gut 7 Wander- und Kraxelstunden zwischen Märjele, Eggishorn, Bettmerhorn und Riederalp verdienen wir uns ein Bierchen redlich … à propos “wir”: heute sind Tina und ich in “Lottland” mit ortskundiger und wie immer geselliger Führung unterwegs. Lothi, schön, dass du als 10ter Begleiter mit mir und in deinem schönen Heimatkanton unterwegs warst …

PS: das Bild von unterhalb des Eggishorn, bei Tina gibt’s auf Flickr sicher bald das klassische Gletscherbild …

10:37 Unnerberg Fieschertal: frisch

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Frische Luft im Wallis! Ich geniesse die frische Luft im Wallis – und an diesem Wohenende wieder mit Tina. Früh am Morgen geht’s von Fiesch los. Wir sind nach einem reichen Frühstück im “Baumhaus” gut gestärkt, freuen uns auf einen Tag in den Bergen. Zuerst wird unsere Ausdauer aber auf dem Asphalt auf die Probe gestellt. Der Strasse entlang nach Fieschertal, dann aber schon schnell reichlich malerisch vorbei an sonnengeschwärzten Walliserhäusern in die Höhe.

Ich geniesse den wunderbar sonnigen Spätsommertag mit Tina, den blauen Himmel, das weissverschneite Panorama und auch den typischen lauen Walliser Wind durch das Rhonetal. Wir drücken unsere Nasen an die Bäume im Wald, sie riechen nach dem frischen Harz der Lärchen.

Schritt um Schritt geht es auf einem Felsrücken in die Höhe, heute sollen es “nur” etwa dreizehnhundert Höhenmeter sein. Die erste Hälfte davon bis zur Burghütte geht ganz flott, nach einer Päckliminestrone mit 20jährigem Walliser Käse meistern wir auch die zweite Hälfte bis zur Märjelehütte in einem Zug – wir gehen dabei den vom Hüttenwart empfohlenen direkten Weg über die Wasserleitung hoch über dem Fiescher Gletscher …

PS: am Märjelesee ist besonders deutlich zu sehen, wie sich der Aletschgletscher über die letzten Jahre “zurückgezogen” hat … vom einst bedrohlichen Märjelensee ist kaum mehr als ein Tümpel übrig.

Fragen

Ist das Essen im Restaurant besser, wenn der Sohn des Hauses 3 WM-Medallien gewonnen hat und ein Foto aus dem Wachskeller die Speisekarte ziert?

Heisst die Grüne Grenze über den verschneiten Albrunpass jetzt Weisse Grenze?

Kann Lothar Wellig, der Coiffeur von Fiesch, auch Haare glätten?

Ist die Zusammenarbeit zwischen Fiescher-, Bettmer-, Rieder- und Belalp wirklich tief und herzlich, wenn im Fiescher Touristoffice keine Unterkünfte von der Belalp abgefragt werden können?

Warum heisst mein Bed&Breakfast “Baumhaus” mit den originellen Holzzimmern nicht einfach Holzhaus?

Warum stammen die Geissen für den Geissenpfeffer im Walliser Spezialitätenlokal aus dem urnerischen Silenen und nicht aus einem Walliser Bergtal?

Warum werde ich fragender angeschaut, wenn ich nachmittags barfüssig im Coop einkaufe als mit den Bergschuhen abends auswärts Essen gehe?

Warum sind im Wallis alle Berge “Hörner” resp. “Horu” wenn sie im Rest der Schweiz auch Spitzen, Stöcke, Berge oder einfach Tödis, Säntisse, Titlisse und Speere heissen?

Warum hat sich Blitzigen schon 1616 von der Mutterkirche in Ernen losgesagt, aber er erst rund 250 Jahre später, nämlich 1877 eine eigene Pfarrei gegründet?

Warum steht die dickste Lärche des Wallis ausgerechnet im Weiler mit dem Namen “Schmali”?

Warumem bekomme ich auf meine linienbewusste Dessertbestellung statt des Zwetschgenmuses ein kalorienbombiges Zwetschgenmousse?

Ist die 1945 in Grengioles entdeckte wilde Tulpenart Tulipa grengiolensis (zum Glück wurde die Tulpe mit diesem Namen nicht im Nachbardorf entdeckt) ein Zeugnis früher holländischer Touristen?

Warum grasen auf dem “Oxefeld” im Binntal keine Kühe, geschweige denn Ochsen?

Ob sich die SVP wohl daran stört, dass der Binntaler Käse auf der Alp ausgerechnet von “Bernd und Ute” produziert wird (so glaube ich zumindest auf dem Schild gelesen zu haben)?

Warum lässt das Ferienzentrum in Fiesch auf eine Partnerstadt aus dem kommunistischen Osten schliessen?

Und schliesslich, wo ist der Gogwärgji Schorsch unterwegs?

Binntalhütte

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Vom Albrunpass ist die Binntalhütte schon nach wenigen Schritten zu sehen, nach 20min legen wir die Rucksäcke vor der Hütte ab.

Die Hütte, von aussen wie viele andere, ist doch speziell. Keine Hüttenfinkenschleuse beim Eingang, keine Merkzettel mit den 10 Hüttengeboten … ja, einfach nicht ganz so durchorganisiert. Hier scheint kein Hüttenfeldweibel zu kommandieren.

Tatsächlich, in der Hütte des SAC Delemont amtet und waltet in diesen Tagen ein Quartett höchst gut gelaunter Pensionäre. Für vierzehn Tage geben sie hier oben den Takt an, bevor dann die nächste Ablösung übernimmt.

“Jeder Koch oder jede Gruppe ist für den Einkaufsplan selbst verantwortlich” meint der eine gutgelaunte Koch. Einzig der Weinvorrat sei gemeinschaftlich unterhalten – es laherten immer gegen 1500 Flaschen im Keller …

Zur Waadtländer Saussicon vom Nachnittag gesellt sich am Abend eine Bratwurst. Die Suppe ist die gleiche geblieben. Rösti stammt aus dem Päckchen, pro Person mindestens ein ganzer Beutel. Das Dessert schliesslich ist das gleiche wie Tags zuvor ennet der Grenze, von den hiesigen Hobbyköchen jedoch auf Wunsch reichlich mit Kirsch gestreckt.

Die Truppe, drei Männer und eine Frau, scheinen die Zeit auf der Hütte zu geniessen. Ob sie sich 50 Wochen im Jahr auf diese 14 Tage freuen?

Zum Nachtessen werden die 4 Nationentische an zwei Tischen gemischt. Schnell ist die Brücke zu den Holländischen Pensionären (sie Spielpädagogin, er Künstler) geschlagen, die Deutschen und Amerikaner tun sich etwas schwerer …. vielleicht ist ihnen das völkerverbindende Spiel nach dem Essen auch ganz einfach zu banal: Meieren. Und nachdem Reto und ich den Jenga-Rekord buchstäblich in die Höhe getrieben haben, versucht er sich nivaleausteigernd immerhin im Schach.

Aber auch um die Hütte kommt man sich über den Magen näher: ich habe mir eingebildet, auf der Murmeli-Fotojagd speziell gerissen zu sein. So nahe war ich noch selten an den Pelzwanstem dran … bis ich merke, dass sie sich ganz einfach hinter der Hütte an den Essensresten gütlich tun …

Für den Schmunzler des Abendsbsorgen dann aber das engkish sprechende Paar: er wäscht seiner Freundin im improvisierten Coiffeurstudio die Haare … gemäss Retostammt das Wort auch von “quois faire?” …. zumindest beim gleichnamigen Jass.

PS: das Foto stammt noch aus der Cadlimo – Tina undich haben dort jassend den Ton angegeben …